Daniel Krenzer

Fachjournalist und Presseberater für Elektromobilität und alternative Antriebe 

Hyundai Ioniq 6: Wer da nicht einsteigt, will gebeamt werden

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Mit dem Hyundai Ioniq 6 bieten die Südkoreaner eine vollelektrische Limousine, mit der sich auch lange Strecken spielerisch leicht bewältigen lassen. Selbst die getestete Allradversion schafft mit dem großen, etwa 77 kWh fassenden Akku auf der Autobahn gut 400 Kilometer Reichweite. Wird nur eine Achse angetrieben, dann sind sogar fast 450 Kilometer drin, berichtet der geschätzte Kollege Marcus Zacher von Elektroautomobil. Und dank 800-Volt-Technik ist der Akku ruckzuck wieder voll. Wer da noch Angst vor der Langstrecke hat, der sollte vielleicht wirklich besser technologieoffen auf das Beamen warten.

Hier einige Dinge, die beim Ioniq 6 besonders aufgefallen sind:


Drei Pluspunkte

  • Der Komfort: Die Vordersitze sind sehr bequem und vielseitig einstellbar, zudem sind sie beheiz- und kühl belüftbar – etwas, was bei zuletzt hohen Temperaturen besonders angenehm war. Auch durch die „schwebende Mittelkonsole“ entsteht ordentlich Stauraum im fast 4,90 Meter langen Fahrzeug – und trotz sehr schnittiger Form passen in den Kofferraum noch ordentliche 400 Liter. Einzig die eher schmale Heckklappenöffnung könnte da ein Hindernis darstellen. Grandios ist auch der Parkassistent mit dreidimensionaler, frei drehbarer Anzeige. Die Assistenzsysteme arbeiten allesamt ordentlich.
  • Die Fahreigenschaften: Mit Allradantrieb schafft der Ioniq 6 mit seinen 168 kW Systemleistung vor allem im Sport-Modus einen fulminanten Ampelstart und zieht auch sonst freudig bis knapp auf 190 Stundenkilometer voran. Das musste auch der Fahrer eines hinterherfahrenden BMW X5 spüren, der beim Auffahren auf die Autobahn schon über die Sperrfläche auf die linke Spur schoss, unserem Ioniq 6 beim Herausbeschleunigen dann aber nicht viel beizusetzen hatte. Doch seine wahre Stärke ist das gediegene Dahingleiten. Die Federung ist gut ausbalanciert, eher etwas straffer, bei 120, 130 Stundenkilometern schwebt das Fahrzeug aber angenehm dahin. Und das alles mit einem absolut ansehnlichen Verbrauch: 16 bis 17 kWh auf entspannten Autobahnfahrten sind möglich, unter 15 kWh im städtischen und vorstädtischen Verkehr. Aber wer es im Sport-Modus ernst meint und an einem Sonntag den Ioniq 6 über eine leere Autobahn prügelt, darf sich auch über 30 kWh und mehr nicht wundern. Aber selbst in diesem Extremfall schafft der Ioniq 6 noch mehr als 200 Kilometer am Stück.
  • Die Ladeperformance: 800-Volt-Technik und eine passende Ultraschnellladesäule, das ist schon ein Spaß: Im Test legte der Ioniq 6 bei etwa 30 Prozent Restakku quasi direkt mit mehr als 230 kW Ladeleistung los, hält bis an die 80 Prozent um die 150 kW Ladeleistung – und ruft diese nach der für Hyundai typischen kurzen Erholungspause bis an die 90 Prozent Akkustand weiterhin ab. Selbst wer dann noch weiterladen will, muss nicht so lange warten: Die Ladeleistung bleibt selbst bei knapp 100 Prozent in Bereichen, die manch anderes Elektroauto maximal schafft.

 


Drei Minuspunkte

  • Das Infotainment: Wer mit dem Fahrzeug noch nicht gut vertraut ist, der wischt oft fast ein wenig verzweifelt am Mitteldisplay herum, bis er das Untermenü findet, das er gerade eigentlich sucht. Aber um fair zu sein: Der Ioniq 6 kann einfach sehr viel, und irgendwo müssen all die Funktionen und Informationen ja untergebracht werden. Allerdings wird es ein bisschen Zeit brauchen, bis der Ioniq-6-Fahrer die Fülle an Möglichkeiten zielsicher auswählen kann – oder er beschränkt sich auf das Offensichtliche.
  • Der Platz in Reihe zwei: Selbst mit 1,90 Metern haben die Beine in der zweiten Reihe wunderbar viel Platz, nach oben hin wird es aber mächtig eng. Das ist der besonders windschnittigen Form – einige bezeichnen es als „Banane“ – des Ioniq 6 geschuldet, die einen starken cw-Wert von 0,21 und die tollen Verbrauchswerte ermöglicht. Wer 1,80 Meter oder größer ist, sollte sicherheitshalber lieber vorne Platz nehmen, ansonsten beklagt sich nach der Fahrt noch die Halswirbelsäule.
  • Die Tempolimit-Warnung: Die Europäische Union möchte, dass neue Fahrzeuge künftig ihre Fahrer darauf hinweisen, wenn sie zu schnell fahren. Wenn das alle Hersteller so konsequent wie Hyundai umsetzen, dann kommt da etwas auf uns zu. Ab zwei Stundenkilometer mehr als die erkannte (und das ist nicht immer die richtige!) geltende Höchstgeschwindigkeit beginnt der Ioniq 6 zu piepsen, als wäre der Fahrer nicht angeschnallt. Zum Glück nicht durchgängig, aber immer wieder. Die gute Nachricht: Das lässt sich abschalten. Die schlechte: Nach jedem Start des Fahrzeuges setzt sich das zurück und muss erneut zurückgesetzt werden – und das Menü befindet sich in besagten Untiefen des Infotainments.

 


Fazit
Der Ioniq 6 ist derzeit eines der besten, wenn nicht gar das beste Elektroauto für die Langstrecke. Mehr als 400 Kilometer schafft er am Stück, dann lädt er gut 100 Kilometer pro fünf Minuten nach. Und dank des niedrigen Verbrauches ist die Stromrechnung dennoch akzeptabel. Und das alles gibt es nicht für weit mehr als 100.000 Euro wie vor ein paar Jahren, als ansatzweise vergleichbar alltagstaugliche Elektroautos noch so viel kosteten – auch wenn der Ioniq 6 trotzdem optisch an andere sportliche Autos, zum Beispiel aus Zuffenhausen, erinnert. In der Allradversion kostet der Ioniq etwas mehr als 61.000 Euro, und mit der noch sparsameren Standard-Version mit großem Akku sind es 54.000 Euro. Nach Abzug der Umwelt- und Händlerprämie geht es also bei gut 47.000 Euro los – den Preis hatten auch zu den langsam endenden Dieselzeiten jene Autos, die häufig auf die Langstrecke geschickt wurden.

Disclaimer: Der Testwagen wurde mir von Hyundai kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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