Daniel Krenzer

Fachjournalist und Presseberater für Elektromobilität und alternative Antriebe 

 

Test: Aiways U5 - Der weich gefederte Chinese

Das 4,78 Meter lange SUV Aiways U5 ist auf deutschen Straßen zumindest aktuell noch ein Exot. Mehr als einmal wurde ich unterwegs darauf angesprochen, was das denn für ein Fahrzeug sei. Vor allem im Farbton "Electric Blue" mit dem optionalen schwarzen Dach (plus 800 Euro), wie der Testwagen ausgestattet war, weiß der U5 zu gefallen. Trotz der wuchtigen Ausmaße wirkt das SUV so nicht allzu klotzig und erinnert optisch vor allem von hinten an die kostspieligere Konkurrenz aus Schweden.

Der Aiways U5 ist kaum nennenswert kleiner als beispielsweise der EQC von Mercedes, kommt aber mit einem Preis ab knapp 36.000 Euro deutlich günstiger daher. Das sieht man dem Auto aber erst einmal nicht an: Die Verarbeitung ist innen wie außen gut, das Fahrgefühl sehr komfortabel. Und mit dem Panorama-Glasdach ist der Innenraum lichtdurchflutet und wirkt noch größer, als er es sowieso schon ist. 

Die Ladebuchse befindet sich vorne links, der CCS-Anschluss ist um 90 Grad gedreht. Bei manchen Schnellladesteckern ist dadurch das Anschließen ein wenig schwieriger als nötig, klappte aber im Test spätestens beim zweiten Versuch. 

Der Akku fasst 63 kWh, die Reichweite ist im WLTP-Zyklus mit 400 Kilometern angegeben. Dafür müsste der Verbrauch auf 100 Kilometer unter 17 kWh liegen, was ich trotz E-Auto-freundlicher Temperaturen um die 15 Grad deutlich nicht geschafft habe. Unter 20 kWh sind in der Stadt und über Land möglich, auf der Autobahn kletterte der Verbrauch aber selbst bei moderaten 120 Stundenkilometern auf 25 kWh, was einer Reichweite von dann noch gut 250 Kilometern entspricht. Bei Kälte sollte man also auf der Langstrecke spätestens alle 200 Kilometer einen Ladestopp einkalkulieren.

Die maximale Ladeleistung beträgt 90 kW, diese wurde im Test zwischenzeitlich auch erreicht. Meistens bewegte sie sich um die 50 kW bis 80 Prozent Ladestand. Unter Normalbedingungen dauert ein Ladevorgang von 20 bis 80 Prozent also gut 40 bis 45 Minuten. In anderen Testberichten bei Kollegen las ich allerdings von erheblich längeren Ladezeiten im Winter - ein Problem, das der Aiways  U5 aber freilich mit vielen E-Autos teilt. Die AC-Ladeleistung, also an normalen Ladestationen, fällt mit 6,6 kW vergleichsweise gering aus, eine Ladung von 20 bis 80 Prozent dauert hier knapp 6 Stunden.

Der Wagen startet komplett automatisch, es ist nicht einmal nötig, einen Anschaltknopf zu betätigen. Mit dem ungewöhnlich leichten Schlüssel in der Hosentasche öffnet man smart die Tür, setzt sich hinein, tritt auf die Bremse - und alle Systeme fahren hoch, die Fahrt kann losgehen. Der U5 ist butterweich gefedert, sodass jede Unebenheit in einem bequemen Sofa-Gefühl untergeht. Die Fahreigenschaften sind gut, die Motorisierung mit 204 PS absolut ausreichend - zumal das Fahrzeug für seine Größe mit 1,8 Tonnen trotz des großen Akkus gar nicht mal so schwer ist.

Was für E-Auto-Enthusiasten ein Wermutstropfen sein dürfte, ist für Einsteiger vielleicht gerade reizvoll: Die Rekuperation - also das Maß der Bremsenergierückgewinnung beim Ausrollen - lässt sich im U5 zwar in drei verschiedenen Stufen einstellen. Jedoch ist sie selbst in der höchsten Stufe vergleichsweise gering und meilenweit von einem sogenannten One Pedal Drive entfernt, bei dem das vollständige Loslassen des Gaspedals quasi mit einer Vollbremsung honoriert wird. Das heißt: Der U5 lässt sich weitgehend wie ein herkömmliches Automatik-Fahrzeug fahren. Dennoch wäre es eine Überlegung wert, hier zukünftig noch stärkere Rekuperationsstufen anzubieten.

Mächtig viel Platz bietet im Aiways U5 der Kofferraum mit zusätzlichen Staufächern auf einer zweiten Ebene. Aufpassen sollten aber Menschen, die größer als 1,80 Meter sind: Die Klappe fährt nicht ganz so hoch, wie wir großen Europäer das gewohnt sind. Ich habe mir zweimal den Kopf gestoßen... Platz für das Ladekabel ist übrigens praktischerweise im Frunk, also unterhalb der Motorhaube. Auch im Innenraum gibt es reichlich Stauraum, den für unsere Gewohnheiten wohl gängigsten haben die Chinesen aber weggelassen: Statt eines Handschuhfachs befinden sich nur zwei Haken für Taschen im Fußraum des Beifahrers, der dafür aber reichlich Platz hat. 

Bei allem Lob für den Exoten bleibt jedoch ein großes Aber: Die Software im Erstlingswerk von Aiways bereitet noch Sorgen. Viele der Assistenzsysteme sind in ihrer aktuellen Form kaum brauchbar: Der Spurhaltehelfer greift mitunter gefährlich massiv ein, im automatisierten Fahrmodus iDrive häufen sich im Display Meldungen des Fahrzeugs, die eher Hilferuf als Hilfe sind. Der automatische Parkmodus lässt sich nur sehr widerspenstig aktivieren und weckt dabei jedes Mal eine tiefe Männerstimme auf, die erschreckend laut alle Insassen zusammenzucken lässt. Und dass es kein Navi gibt, ist zwar heutzutage aufgrund der möglichen Smartphone-Kopplung gar kein Problem mehr. Jedoch funktioniert die dem Vernehmen nach bei Android noch nicht zuverlässig. Mit einem Applegerät hat es allerdings geklappt.

Solange die Software also nicht deutlich überarbeitet wurde, empfiehlt es sich dringend, das Eingreifen der elektronischen Helferlein auf ein Minimum zu reduzieren. Wer ohnehin beim Fahren auf solche Unterstützung verzichtet, der wird mit dem Fahrverhalten des Aiways sehr zufrieden sein. Wer allerdings wert auf teilautonomes Fahren legt, sollte zumindest derzeit noch die Finger vom U5 lassen.

Interessant ist, dass Aiways zumindest derzeit noch auf ein eigenes Händlernetz in Deutschland verzichtet. Verkauft wird der U5 über ausgewählte Euronics-Märkte in Deutschland, die Werkstattleistungen übernimmt A.T.U. Insgesamt ist der U5 aber sehr wartungsarm, erst nach 100.000 Kilometern ist offenbar planmäßig die erste Wartung vorgesehen.


Daten:

Länge/Breite/Höhe: 4,68/1,87/1,70

Motor: 150 kW (204 PS), 310 Nm Drehmoment max.

Geschwindigkeit: 150 km/h maximal, 0-100 in 7,5 Sekunden

Reichweite: 400 km nach WLTP, im Test bei 10 bis 15 Grad: 250 bis 350 km

Ladeleistung: maximal 90 kW DC, 6,6 kW AC

Preis: ab 35.993 Euro (Stand Juni 2022), Vollausstattung (Testwagen) für etwa 43.000 Euro.

Geeignet für: E-Auto-Einsteiger mit hohem Platzbedarf, die sich auch mal etwas weiter weg wagen wollen und auf üppige Assistenzsysteme verzichten können.

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Das Fahrzeug wurde mir freundlicherweise von Aiways explizit für diesen Beitrag für Testzwecke zur Verfügung gestellt.


 
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